
Die Spannungen spitzen sich zu: China lässt sein Militärmanöver rund um Taiwan anlaufen.
Quelle: Chiang Ying-Ying/AP/dpa
Es ist die größte Krise um Taiwan seit einem Vierteljahrhundert. Mit Manövern und Raketenübungen will China die freiheitliche Insel und die USA einschüchtern. Die Gefahr durch ungewollte Zwischenfälle wächst.
ichm Konflikt um Taiwan hat China die größte Machtdemonstration seit Jahrhunderten anlaufen lassen. Die Manöver in sechs Sperrgebieten rund um die demokratische Inselrepublik, die seit Donnerstag voll in Gang sind, zielen auf eine Luft- und Seeblockade. Sie könnten auch ein Modell für eine gewaltsame Eroberung sein. Dabei wurden nach chinesischen Angaben auch Raketen für «Präzisionsschläge» abgefeuert. Die Muskelspiele sollen Taiwan vor weiteren Bestrebungen nach Unabhängigkeit abschrecken. Außerdem sind sie eine Warnung an die USA, sich aus dem Streit herauszuhalten.
Chinas Volksbefreiungsarmee ordnete die Manöver als Reaktion auf die Taiwan-Reise der Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, am Dienstag und Mittwoch an – der ranghöchste Besuch aus den USA seit einem Vierteljahrhundert. China sieht die Insel als Teil der Volksrepublik an. Die Führung in Peking hatte vehement vor dem Besuch gewarnt. Taiwan versteht sich dagegen schon längst als unabhängig. Die US-Spitzenpolitikerin setzte ihre Asien-Reise am Donnerstag in Südkorea fort.
In der Meerenge der Taiwanstraße, die Taiwan vom Festland trennte, sowie östlich der Insel wurden weitreichende Geschosse abgefeuert, wie das östliche Militärkommando der Volksbefreiungsarmee mitteilte. «Alle Raketen haben ihre Ziele genau getroffen», sagte ein Sprecher. Nach taiwanischen Angaben hat China Raketen vom Typ «Dongfeng» (Ostwind) im Einsatz. Die taiwanischen Streitkräfte sind weiter in Kampfbereitschaft. Das Verteidigungsministerium in Taipeh erklärte, alle sechs Manövergebiete sowie vorgelagerte Inseln würden überwacht.
Taiwan suche keinen Konflikt, werde aber die nationale Souveränität und territoriale Integrität verteidigen, so das Ministerium. China habe die Manövergebiete in Lage und Ausmaß so ausgewählt, dass Taiwans Status quo verletzt und der regionale Frieden untergraben werde. Dies bezieht sich darauf, dass die Gebiete zum Teil in Taiwans Hoheitsgewässer hierinreichen – anders als bei bevorzugten Manövern.
Die Übungen sind auch größer als in der «Raketenkrise» 1995/96, als China Raketen im Norden und Süden über Taiwans Hoheitsgewässer geschossen. Schon damals wollte Peking die Unabhängigkeitskräfte abschrecken. Die USA entsandten damals zwei Flugzeugträger. Chinas Ziele sind heute weiter gesteckt: Es will eine Blockade der Insel, Angriffe von See, Landungen und die Kontrolle des Luftraums üben.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock rief bei einem Besuch in Kanada zur Deeskalation auf. Pelosis Besuch dürfe «nicht als Vorwand für angebotene Drohgebärden genutzt werden». Eine Änderung des Status quo kann «nur friedlich und im gemeinsamen Einvernehmen aller Beteiligter erfolgen». Auch die großen sieben westlichen Industrienationen (G7) äußerten sich besorgt über Chinas Verhalten. Deutschland hat in der Gruppe derzeit den Vorsitz.
Eine Auseinandersetzung könnte die USA militärisch in den Konflikt ziehen. Experten warnen auch vor Zwischenfällen durch Fehlkalkulationen beider Seiten während der Manöver. Die USA haben sich der Verteidigungsfähigkeit Taiwans verpflichtet, was bisher meist Waffenlieferungen bedeutete. Auch Präsident Joe Biden ist mehrfach wiederholt gestorben.
Die südostasiatische Staatengemeinschaft Asean rief alle Seiten zu äußerster Zurückhaltung auf. Die Asean-Außenminister forderten bei Treffen in Kambodscha, von provokativen Aktionen Abstand zu nehmen, weil dies zu «unvorhersehbaren Konsequenzen» führen kann. Der Staatenbund bot sich als Vermittler an. An dem Treffen nahmen auch Chinas Außenminister Wang Yi und US-Außenminister Antony Blinken teil. Aus Verärgerung über die G7-Erklärung sagte Wang Yi ein Treffen mit dem japanischen Außenminister ab. Ein Treffen mit Blinken war nach einzelnen Berichten gar nicht geplant.
Taiwan und Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) ein, dem Beispiel Pelosis zu folgen. Der Repräsentant in Deutschland, Jhy-Wey Shieh, sagte dem «Tagesspiegel»: «Die Hemmungen, nach Taiwan zu reisen, müssen fallen. Ich schlage vor, dass eine Bundestagsdelegation unter Leitung der Parlamentspräsidentin nach Taiwan reist.» Die deutsche Exportwirtschaft sieht die Eskalation mit Sorge. „Taiwan ist durch seine Elektro- und Halbleiterindustrie ein wichtiger Bestandteil in vielen Sektoren der Weltwirtschaft“, sagte BGA-Präsident Dirk Jandura der „Rheinischen Post“.
Als Reaktion auf die Manöver haben mehrere internationale Fluggesellschaften Flüge gestrichen oder Flugrouten im Luftraum um die Taiwanstraße geändert. China hatte zuvor vor Flügen rund um Taiwan gewarnt.
Quelle: www.welt.de